Jochade, Hermann


Biografische Daten:

Jochade Schreibtischporträt
Name:Jochade, Hermann
Geboren:7. Juli 1876 in Neuhaus bei Sollingen (Kreis Holzminden)
Beruf:Former
Wohnort:Hamburg (5.1899-); Berlin, Junker Jörg Str. 28 (Ende 1932, Juli 1933); zuletzt: Berlin-Karlshorst, Gräfenauer Weg 131 (1938/39)
Bahnbeginn:1901 als Chefredakteur des Weckruf
Gewerkschaft:ab 1891 Zentralverein der deutschen Former sowie aller in Eisen- und Metallgießereien beschäftigten Arbeiter, später umbenannt in Zentralverein der deutschen Former und Berufsgenossen (ZVdFB), mit diesem am 1.10.1901 dem DMV angeschlossen, ab 1902 Verband der Eisenbahner Deutschland (VdED), Deutscher Transportarbeiterverband (1908), DEV (1916), ab 1925 EdED
Funktionen:ab 16. September 1899 bis Dezember 1900 Schriftführer im Vorstand der Zahlstelle Hamburg und Mitarbeit an der Gewerkschaftszeitung „Glück auf!“; Dezember 1899 Delegierter im Hamburger Gewerkschaftskartell; seit Gründung am 19. September 1900 deutscher Vertrauensmann des „Internationalen Formersekretariats“; 1901 Chefredakteur des „Weckruf“; ab 28.1.1902 Vorsitzender VdED; ab 1903 in die ITF entsandt, seit 1904 Sekretär der ITF, ab 1906 hauptamtlich; vor Dezember 1918 in den Vorstand des DEV kooptiert; seit 1.1.1919 Gewerkschaftsangestellter im Eisenbahnerverband und Mitglied des Vorstandes; ab 1919/20 bis 1932 Mitglied des Generalrats der ITF
Partei:ab 1891 SPD
Funktionen:Mitglied im Vorstand der Deutschen Eisenbahnfachschulen bis 1933
Widerstand:Mitunter wurde Jochade zu den Mitgliedern der „Illegalen Reichsleitung“ der Gewerkschaften gezählt. eine aktive Beteiligung an deren Widerstandsaktivitäten ist jedoch eher unwahrscheinlich. Allerdings dürfte er aufgrund seiner zahlreichen aufrecht erhaltenen Kontakte zu ehemaligen Kollegen in ihre Aktivitäten eingeweiht gewesen sein.
Verfolgung:Jochade gehörte zu den zahlreichen Gewerkschaftern, die bei Ausbruch des Krieges nach vorgefertigten Listen (der sogenannten A-Kartei) verhaftet und ins KZ gesperrt worden. Die Gestapo verschleppte ihn nach Sachsenhausen, wo er bereits wenig später den harten Foltermethoden erlag.
Gestorben:Hermann Jochade verstarb am 28. September 1939 im KZ Sachsenhausen.
Gedenken:Auch Hermann Jochade wurde auf der Ehrentafel verewigt, die die GdED am 9. Mai 1983 in ihrer damaligen Zentrale in Frankfurt/Main einweihte.
Außerdem wurde 2010 vor seinem letzten selbst gewählten Wohnort, einem Mitte der 1930er Jahre von ihm erbauten Haus, im Grafenauer Weg 39 in Berlin-Karlshorst ein „Stolperstein“ verlegt.

Biographie:

Stolperstein Hermann Jochade am Tag der Verlegung (Foto: Peter Lind)
Auszug aus dem Berliner Adressbuch 1938

Hermann Jochade kam am 7. Juli 1876 in Neuhaus bei Solingen (Kreis Holzminden) als Sohn von Gottlieb und Friederike Jochade, geborene Reitemeier, zur Welt. Sein Vater arbeitete als Schachtmeister im Eisenbahnbau, so dass Hermann Jochades Kindheit von vielen Ortswechseln geprägt war. Von 1891 bis 1895 erlernte er in einem großen Eisenwerk in Lüneburg den Beruf des Formers und leistete anschließend seinen zweijährigen Militärdienst beim Schleswig-Holsteinischen Artillerie-Regiment Nr. 24 in Bahrenfeld bei Hamburg ab. Obwohl er dort als SPD-Mitglied mehrfach von anderen Soldaten denunziert wurde, erfüllte er seinen Wehrdienst vorbildlich.

Mit Beginn seiner Lehre trat Jochade dem „Zentralverein der deutschen Former sowie aller in Eisen- und Metallgießereien beschäftigten Arbeiter“ und der SPD bei. Im September 1898 bekam er eine Anstellung bei der Howaldtswerft in Kiel. Als Teilnehmer am großen Werftarbeiterstreik wurde er jedoch bereits im März 1899 wieder entlassen und auf die „schwarze Liste“ gesetzt. Er zog im Mai 1899 nach Hamburg und übernahm am 16. September 1899 die hauptamtliche Funktion des Schriftführers im Vorstand der Zahlstelle Hamburg. Jochade arbeitete außerdem an der Gewerkschaftszeitung „Glück auf!“ mit.

Jochade wurde im Dezember 1899 als Delegierter in das Hamburger Gewerkschaftskartell entsandt und war seit dessen Gründung am 19. September 1900 deutscher Vertrauensmann des „Internationalen Formersekretariats“. Dass er nicht immer „auf Linie“ der Gewerkschaftsführung lag, führte an Weihnachten 1900 zu seiner Entlassung. Es schloss sich eine Anstellung bei der Gewerkschaftsdruckerei Fr. Meyer in Hamburg-Eilbek an. In seiner Arbeitsstätte wurde auch der „Weckruf der Eisenbahner“ hergestellt, für den sich Jochade ab dem 28. September 1901 als ehrenamtlicher Chefredakteur verantwortlich zeichnete. In den Folgejahren führte Jochades Einsatz für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der EisenbahnerInnen mehrfach zu Konflikten mit der Obrigkeit. Er wurde mehrfach zu Geld- und kurzen Gefängnisstrafen verurteilt.

Am 28. Januar 1902 übernahm Jochade die Funktion des ersten Vorsitzenden des „Verbands der Eisenbahner Deutschlands (VdED)“. Der VdED arbeitete besonders in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts an der Grenze zur, teilweise sogar in der Illegalität. Aufgrund der hohen (militärischen) Bedeutung der Bahn, hatte der Verband gerade zu Gründungszeiten sehr mit Repressalien durch den Staat zu kämpfen. Jochade versuchte ab der Übernahme der Vorsitzendenfunktion den nicht mal 1000 Mitglieder umfassenden VdED zu stärken, erreichte mit seiner Agitation aber kaum Fortschritte, so dass er 1903/04 sogar bereit war, einem Anschluss an größere Verbände zuzustimmen. Dieses Ansinnen wurde jedoch sowohl bei der 5. als auch 6. Konferenz der jungen Eisenbahnergewerkschaft durch die Mehrzahl ihrer Mitglieder abgelehnt.
Im Oktober 1903 nahm Jochade erstmalig an der Vorständekonferenz der deutschen ITF Mitgliedsorganisationen teil. Bereits am 1. Oktober 1904 wurde er zum Sekretär der ITF gewählt und übernahm damit offiziell die Leitung der von Großbritannien nach Deutschland verlegten und zu dem Zeitpunkt 77.672 Mitglieder zählenden Internationale. Von Beginn an versuchte er auch hier eine Stärkung des Verbandes zu erreichen.

Ein entscheidender Durchbruch gelang 1906 auf der Konferenz in Mailand: Die Eisenbahner beschlossen, ihr „Internationales Studienkomitee“ zugunsten der ITF aufzulösen und sie so mit 207.231 neuen Mitgliedern aus 13 Ländern erheblich zu stärken. Darüber hinaus beschlossen die Konferenzteilnehmer, Jochade zum hauptamtlich Angestellten der ITF zu machen. In den Folgejahren stellte er die Arbeit der ITF auf neue, vor allem finanziell gesundete Füße, verhalf ihr zu internationaler Stärke (die ITF war 1913 mit 700.000 Mitgliedern das drittgrößte internationale Berufssekretariat) und war außerdem für die Einführung eines Übersetzungssystems verantwortlich, welches den Kollegen in den verschiedenen Ländern ermöglichte, in ihrer Heimatsprache zu kommunizieren.

Jochades erfolgreiches Wirken auf internationaler wurde durch den Ersten Weltkrieg jäh unterbrochen. Er wurde am 21. Oktober 1915 zum Militärdienst eingezogen und als Landsturmmann einer Munitionskolonne zugeteilt. Sein Einsatz erfolgte an der belgischen Westfront. Trotz der Feindseligkeiten und seiner vollen Unterstützung für die deutschen Kriegsziele, versuchte er die internationalen Kontakte zu pflegen. Nach seiner Rückkehr im Winter 1918 wurde er in den Vorstand des zwischenzeitlich gegründeten „Deutschen Eisenbahner-Verbandes (DEV)“ kooptiert. Auf der 1. Generalversammlung des mittlerweile 550.000 Mitglieder starken DEV wurde er 1920 als besoldeter Sekretär unerwartet knapp in den Vorstand gewählt.

Jochade widmete sich nun zunehmend wieder seiner alten Leidenschaft – dem Pressewesen. Als Verantwortlicher der Literarischen Abteilung gab er ein Mitteilungsblatt heraus, das die wichtigsten Artikel der Fach- und Tagespresse enthielt sowie durch Merkblätter ergänzt wurde, welche die Positionen im gesamten gewerkschaftspolitischen Spektrum dokumentierten. Nachdem das Mitteilungsblatt der Inflation zum Opfer fiel, baute Jochade eine Buchvertriebsabteilung für „Arbeiterkampf-Literatur“ auf, deren mangelnde Gewinne er durch den Verkauf technischer Literatur ausglich. Daneben konnte er auch seine Karriere als „Internationalist“ fortsetzen: Im März 1920 wurde er erneut in den Generalrat der ITF delegiert und bis 1932 jedes Jahr wiedergewählt.

Auf der gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Verbandsbeirat des EdED trat Hermann Jochade am 29. März 1933 zusammen mit Franz Scheffel und Lorenz Breunig „freiwillig“ von allen Funktionen zurück. Höchstwahrscheinlich beabsichtigten die drei Funktionäre mit dem gemeinsamen Rücktritt, der Anpassungspolitik der Gewerkschaft gegenüber dem Nazi-Regime nicht im Wege zu stehen. So sagte sich die EdED nach der NS-Machtübernahme von der Sozialdemokratie los und trat aus der ITF aus.
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ist nicht viel über Jochades weiteres Wirken bekannt. Den Berichten des Leiters des Amsterdamer ITF-Büros Jacobus Oldenbroek kann entnommen werden, dass er über die nicht mehr erfüllbare Hoffnung auf einen ruhigen Lebensabend enttäuscht war und sich zurückzog. Er hielt aber noch Kontakte zu unterschiedlichen (ehemaligen) Gewerkschaftsführern, wie dem Generalsekretär der ITF Edo Fimmen oder dem zukünftigen GdED-Vorsitzenden Hans Jahn aufrecht. Außerdem gibt es Hinweise, dass er an den Wiederaufbauplänen der Gewerkschaftsbewegung und der Organisation des Widerstandes beteiligt, zumindest darin eingeweiht war.

Mit dem Kriegsbeginn verhafteten die Nazis Hermann Jochade und verschleppten ihn ins KZ Sachsenhausen. Dort bekam er die Häftlingsnummer 1113 und war im Block 37 untergebracht. Der ebenfalls in Sachsenhausen inhaftierte ehemalige EdED-Funktionär Georg Mietz schrieb nach der Befreiung, dass Hermann Jochade trotz einer schweren Herzerkrankung jeden Tag von früh bis spät mit anderen politischen Häftlingen gequält wurde. Dabei sei er jeden Tag zusammengebrochen. Trotz offensichtlicher körperlicher Schwäche, vereiterter Füße und der alltäglichen Krankmeldung vom Blockältesten verweigerte man ihm die Aufnahme im Lazarett. „Die Folge davon war, dass unser Genosse nach einigen Tagen auf dem Platz umfiel und seine Augen für immer geschlossen hat.“ Hermann Jochade starb am 28. September 1939 im KZ Sachsenhausen. Auf seinem Totenschein ist als Todesursache „Vergrößerung der Vorsteherdrüse“ angegeben.

Hermann Jochades Leistung beim Aufbau der Internationalen Transportarbeiterföderation ist 1929, noch zu seinen Lebzeiten, in einer Feierstunde gewürdigt wurden. Sein Kampf für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Eisenbahner, sein Beitrag zur Entstehung der Eisenbahner-Gewerkschaftsbewegung sowie der Internationalen Transportarbeiter-Solidarität wurden bisher kaum anerkannt.

Quellen:

  • Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin
  • Eberhard Podzuweit: Hermann Jochade. 7. Juli 1876 – 28. September 1939, in: Siegfried Mielke, Günter Morsch (Hrsg.): >>Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht.<< Gewerkschafter in Konzentrationslagern 1933-1945, S. 112-119.
  • Mielke/Heinz „Eisenbahngewerkschafter im NS-Staat – Verfolgung, Widerstand, Emigration 1933-1945“
  • Gottwaldt, Alfred, „Eisenbahner gegen Hitler“