Sieg, John


Biografische Daten:

Mit diesem Foto fahndete die Gestapo 1942 nach John Sieg (Quelle: Fahndungsbuch)
Name:Sieg, Johann „John“
Geboren:3. Februar 1903 in Detroit (USA, Bundesstaat Michigan)
Beruf:Schriftsteller, Redakteur (Rote Fahne), Fahrdienstleiter
Wohnort:ab 1928 Berlin-Friedenau; ab 1930 Berlin-Reinickendorf, Thurgauer Str. 84; ab 1. Juli 1933 Berlin-Neukölln, Jonasstr. 5a
Bahnbeginn:1937
Gewerkschaft:soll bereits in den USA in einer Automobilgewerkschaft organisiert gewesen sein; RGO
Funktionen:in den Entlassungspapieren von Ford Vermerk „Agitator“
Partei:KPD (ab 1929)
Funktionen:Redakteur der „Tat“ und der „Roten Fahne“
Widerstand:Mitglied der illegalen KPD und des Widerstandsnetzes „Rote Kapelle“; soll als Fahrdienstleiter Züge, die kriegswichtige Güter transportieren sollten, auf Umwege oder in verstopfte Knotenpunkte geleitet haben; illegale Arbeit begann erst nach dem Umzug nach Neukölln; in Reinickendorf waren John und Sophie Sieg als aktive KPDler zu bekannt dafür; er hatte späterer Angaben seiner Frau zufolge Kontakt zur illegalen KPD-Zelle (der Güterabfertigung) am Stettiner Bahnhof gehört, dann Organisation eigener kleiner Widerstandsgruppen der Eisenbahner und über diese auch Verteilung seiner Flugblätter und Schriften; als Mitglied in dem Widerstandskreis um Grabowski und Grasse war er dafür zuständig, „Verbindungen zwischen einzelnen illegalen kommunistischen Betriebszellen in Industrie und Verkehrswesen zu schaffen“; verteilte die illegale Zeitung „Innere Front“, indem er sie an „eigens gesammelte Feldpostnummern“ versandte, „in Kleiderspinde am Arbeitsplatz“ einwarf, in Verkehrsmitteln liegen ließ oder sie unmittelbar an Kontaktleute weitergab; Gottwaldt zufolge hatte John Sieg gegenüber Freunden schon nach der Verhaftung des Freundes Robert Uhrig durch die Gestapo im Februar 1942 erklärt, er persönlich sei im Falle seiner Verhaftung zum Selbstmord entschlossen, denn er fürchtete die Folter.“ (S. 270); er verbrannte viele seiner Texte, als er von der Verhaftung Schulze-Boysens erfuhr.
Verfolgung:erste Festnahme im März 1933, Inhaftierung bis Juni 1933 im SA-Gefängnis Hedemannstr. in Kreuzberg und in Plötzensee; zweite Verhaftung am 11. Oktober 1942 um 5:45 Uhr auf der Dienststelle, in Gestapo-Zentrale gebracht, dort schwere Misshandlung.
Gestorben:John Sieg nahm sich am 15. Oktober 1942 in der Gestapo-Zentrale in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße das Leben.
Weitere Infos:Vater August Sieg, Mechaniker; Mutter Marie Sieg, geb. Stuwe, Pflegerin und Farmbesitzerin; seit 30. Mai 1928 mit Sophie Sieg, geb. Wloszczynski (1893-1987) verheiratet, die ihn bereits bei seiner Amerikareise 1920 bis 1928 begleitete; Paritätische Stadtschule Schlochau (Westpreußen); Lehrerstudium, 1923 abgebrochen; Werksstudent Detroit City College 1924/25; 1920 in Schneidemühl Einbürgerung als Deutscher

Gedenken:

Stolperstein für John Sieg

Auf dem Berliner Friedhof der Sozialisten in Berlin Friedrichsfelde ist zu Ehren John Siegs eine Gedenkplatte errichtet worden. Im Berliner Stadtbezirk Lichtenberg wurde 1972 eine Straße innerhalb des Neubauviertels nach John Sieg benannt. Sie heißt auch heute noch „John-Sieg-Straße“. Die Berliner Ortsgruppe der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, ließ vor dem einstigen Wohnhaus von John und Sophie Sieg, in der Jonasstraße 5a in Berlin Neukölln, einen Stolperstein verlegen.

Biographie:

John Sieg wurde als Sohn deutscher Einwanderer 1903 geboren. Mehrfache Aufenthalte in Deutschland sowohl als Kind in Begleitung seines Großvaters als auch später als junger Mann führten schließlich 1928 zur Übersiedlung nach Deutschland. Hier betätigte er sich zunächst schriftstellerisch. Er veröffentlichte Beiträge in der linken Presse, vornehmlich der KPD-Zeitung „Rote Fahne“. 1933 wurde er im Zuge der ersten Terrorwelle der Nazis verhaftet. Der Berliner SA-Gruppenführer Karl Ernst bot ihm sofortige Freilassung an, wenn er fortan für die Nazipresse zu schreiben bereit wäre. Sieg lehnte ab und blieb hierdurch vorerst in Haft. Er kam jedoch im Juni 1933 schließlich frei.

Danach begann er vorsichtig mit dem Aufbau einer Widerstandsorganisation in Berlin. Seine persönliche Situation war äußerst schwierig. Der Inhaftierung und Folterung durch die SA folgte eine zweijährige Arbeitslosigkeit. Ab 1935 war es ihm möglich sich, als Bauarbeiter durchzuschlagen. 1937 lernte er den aus dem westfälischen Münster stammenden Karl Hellborn kennen, der, frühzeitig aktiver Gewerkschafter, schon vor 1933 als Vorsitzender des gewerkschaftlichen Fachverbandes der Reichsbahnassistenten nach Berlin übersiedelte und als Fahrdienstleiter auf dem Berliner Bahnhof Charlottenburg tätig war. Hellborn gelang es, Sieg bei der Reichsbahn unterzubringen. Er begann seine Tätigkeit im Bahnhof Berlin-Papestraße (Dienststelle Bahnhof Tempelhof) und brachte es vom Güterbodenarbeiter 1937 bis zum Fahrdienstleiter zum Ende des Jahres 1941. Für seine Widerstandstätigkeit war diese Stellung von unschätzbarer Bedeutung, zumal Sieg Mitglied der Widerstandsorganisation Schulze-Boysen/Harnack (sogenannte „Rote Kapelle“) war. Ob er in dieser Funktion kriegswichtige Züge auf langwierige Umwege leitete und in verstopfte Knoten schickte, um sie dort tagelang blockiert stehen zu lassen, wie es später der bekannte Schriftsteller Stefan Hermlin in seinem Buch „Die erste Reihe“ berichtete, ist als Erkenntnis nicht gesichert.

John Sieg wurde wie viele andere Mitglieder der sog. „Roten Kapelle“ verhaftet. Um nicht in die Gefahr zu kommen, unter Folter Verrat an anderen Mitgliedern der Organisation zu üben, erhängte er sich nach schwersten Folterungen am 15. Oktober 1942 in seiner Zelle. Seine Frau Sophie, geb. Wloszczynski, ebenfalls verhaftet, wurde in das KZ Ravensbrück verschleppt, wo sie von den Nationalsozialisten eingesperrt bleibt, bis die Rote Armee sie am 30. April 1945 befreite. Nach der Befreiung arbeitete sie bei der Deutschen Reichsbahn in Ostberlin.

Quellen:

  • Mielke/Heinz „Eisenbahngewerkschafter im NS-Staat – Verfolgung, Widerstand, Emigration 1933-1945“
  • Heinrich Scheel, „Einer von Millionen spricht“, Dietz Berlin 1989)
  • Gottwald, Alfred, „Eisenbahner gegen Hitler“