Janssen, Otto


Biografische Daten:

Stolperstein Otto Janssen
Name:Janssen, Otto Hermann Gustav
Geboren:11. März 1898 in Gütergotz, Kreis Teltow (jetzt Güterfelde, Stahnsdorf)
Beruf:Landwirtschaftsarbeiter; Bahnunterhaltungs , Rangier-, Güterboden- und Vorarbeiter sowie Werkhelfer bei DR; Bauarbeiter bei Fa. Laternser, Berlin-Zehlendorf
Wohnort:Gütergotz, Kirchplatz 3 (1923 bei Hochzeit); Seit 24.3.1924 bis zur Verhaftung 1937 in Berlin-Schlachtensee, Albrechtstr. 11
Bahnbeginn:2. Januar 1919, vermutlich bereits während Wehrzeit Einsatz im Bahnbetrieb
Gewerkschaft:DEV-Beitritt 1919, später EdED-Mitglied bis 1931, dann ausgeschlossen und RGO
Funktionen:seit 1928 Kassierer beim EdED, später auch Kassierer bei der RGO
Partei:parteilos
Funktionen:1920 Mitglied des Arbeiterturn- und sportbundes (ATSB), dort nach Angabe seiner Frau Turnwart. Dieser Verein nannte sich ab 1930 oder 1931 „Rotsport“.
Widerstand:arbeitete in einer Widerstandsgruppe der KPD, die dem illegalen Unterbezirk (UB) Schöneberg angegliedert war und auch Verbindungen zum UB Steglitz aufrecht hielt. Janssen leitete selbst zwei Zellen an, die zumindest anfangs zur illegalen RGO IG Eisenbahn gehörten und aus einer von Erich Niendorf geführten Erwerbslosengruppe hervorging. Er war im Wesentlichen am Aufbau der illegalen Zellen beteiligt, organisierte dort die Beitragskassierung und den Vertrieb illegaler Schriften und nahm an Schulungsabenden teil; hatte direkten Kontakt zu Führungspersonen des illegalen UB und auch zur illegalen Bezirksleitung und nahm auch dort an konspirativen Treffen teil
Verfolgung:siehe unten
Gestorben:Otto Janssen starb am 24. August.1944 im KZ Buchenwald. Höchstwahrscheinlich fiel er einem Luftangriff zum Opfer, den die alliierten Bomber an diesem Tag gegen Rüstungsfabriken geflogen hatten, in denen zahlreiche Zwangsarbeiter aus dem KZ zum Einsatz kamen. Der Nachlass von Otto Janssen wurde am 17. November 1944 an seine Ehefrau nach Berlin-Zehlendorf, in die Eitel Fritz Straße 14 verschickt.
Gedenken:Am 29. April 2019 wurde in Berlin ein Stolperstein für Otto Janssen verlegt.

Biographie:

Otto Hermann Gustav Janssen kam am 11. März 1898 in Gütergotz, dem heutigen Güterfelde bei Teltow, als Sohn des Chausseearbeiters Hermann Gustav Max Janssen und dessen Ehefrau Anna Dorothea Marie Janssen, geb. Schleihagen zur Welt. Er hatte insgesamt neun Geschwister, weshalb er schon früh zum Unterhalt der Familie beitragen musste und ihm eine Ausbildung verwehrt blieb. Stattdessen arbeitete er nach erfolgreichem Abschluss der Volksschule in den umliegenden Landwirtschaftsbetrieben. Am 19. Mai 1923 heiratete Janssen das Hausmädchen Gertrud Martha Stahlberg. Ihre Ehe blieb kinderlos.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs, in dem Otto als „Armierungssoldat“ gedient hatte, kam er zur Reichsbahn, wo er zunächst als Bahnunterhaltungsarbeiter in der Zehlendorfer Bahnmeisterei (Bm) 74 eingesetzt wurde. Bis zu seiner 1932 erstmalig erfolgten Maßregelung konnte sich Janssen bis zum Werkhelfer im Berliner Präsidialbüro hocharbeiten. Vermutlich hatte er das auch dem Umstand zu verdanken, dass er zwar seit 1919 dem DEV bzw. dem späteren EdED als Mitglied angehörte, dort jedoch erst 1928 als Kassierer in Erscheinung trat. Dieselbe Funktion übernahm er ab 1930 auch für die RGO, weshalb es sehr wahrscheinlich ist, dass er etwa zur gleichen Zeit aus dem EdED ausgeschlossen wurde. Einer Partei gehörte Janssen nicht an, engagierte sich jedoch seit 1920 als Turnwart in einem Arbeitersportverein, der ab 1930 zur „Rotsport-Gruppe“ gehörte. Er dürfte also zumindest mit der KPD sympathisiert haben.

Das legt auch der Umstand Nahe, dass er am 10. Juli 1932 erstmals durch die Reichsbahnverwaltung gemaßregelt und entlassen wurde. Zwar begründete diese den Schritt mit angeblichem Arbeitsmangel, erhalten gebliebenen Prozessunterlagen kann allerdings entnommen werden, dass es sich eher um eine politisch motivierte Maßregelung handelte. So führte Janssens Anwalt im Rahmen eines Verfahrens gegen die Rechtmäßigkeit der Kündigung neben mehreren arbeitsspezifischen Gründen auch aus, „dass Janssen von dem Betriebsrat in einem gegen die Beklagte eingeleiteten Beschlussverfahren als Zeuge benannt war.“ Tatsächlich erreichte Janssen seine vorübergehende Wiedereinstellung, die jedoch nur bis zum Erlass des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ andauerte – am 9. Juli 1933 wurde er auf dessen Grundlage endgültig entlassen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Janssen bereits begonnen, sich an den Aktivitäten einer ehemaligen Erwerbslosengruppen der RGO IG Eisenbahn zu beteiligen. In ihrem Kreis kursierten illegale Druckschriften der verbotenen KPD, fanden Schulungsabende statt und wurden Beiträge zum Erhalt und weiteren Aufbau der illegalen Parteistrukturen kassiert. Janssen nahm spätestens ab Sommer 1933 außerdem an den Treffen teil, die der anfängliche Leiter der Gruppe, Erich Niendorf, ehemals Schlosser im RAW Schöneweide und Bezirksleiter der RGO IG Eisenbahn, mit Vertretern der Schöneberger Unterbezirksleitung der Partei hatte. Wenig später rückte Janssen an Niendorfs Stelle, und führte alsbald selbst zwei illegale kommunistische Zellen in Gütergotz und Schlachtensee an. Hier oblag ihm die Organisation des illegalen Literaturvertriebs, der Beitrags- und Spendenkassierung, von Schulungsabenden und dem steten Austausch mit Funktionären verschiedener Unterbezirksleitung des illegalen Parteiapparats der KPD.

Im Mai und Juni 1937 gelingt es den Nationalsozialisten in die illegale Parteiorganisation einzudringen und große Teile des Unterbezirks Steglitz aufzurollen. Otto Janssen wurde am 21. Mai verhaftet. In den folgenden Tagen gelang es den NS-Ermittlern durch massive Anwendung von Folter sowie Misshandlungen Aussagen zu erpressen, auf deren Grundlage bis Ende Juli 1937 der Großteil der Funktionäre aus Janssens Umfeld festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt werden konnte. Unter ihnen befand sich auch sein Schwager Hermann Stahlberg. Wenig später fielen bereits die ersten Urteile gegen Beteiligte des illegalen Steglitzer KPD-Apparates. So wurden der Stadtteilleiter Zehlendorfs und der Org.-Leiter des UB Steglitz bereits im Dezember 1937 zu langen Zuchthausstrafen verurteilt

Warum sich das Ergebnis der Verhandlungen „in der Strafsache gegen Janssen und Genossen“ demgegenüber noch bis zum 21. September 1938 hinzog, geht aus den erhalten gebliebenen Justizunterlagen nicht hervor. Allerdings lässt die dreitägige Verhandlungsdauer auf einen äußerst umfangreichen Prozess schließen, in dem die NS-Richter letzten Endes unter anderem feststellten, dass „Janssen, Stahlberg und Nittke […] sich als Funktionäre aktiv für die Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der KPD eingesetzt“ hatten und sich „die übrigen […] als Mitglieder in den organisatorischen Zusammenhalt der hochverräterischen Organisation eingefügt haben.“ (Urteil Janssen, Bl. 102.) Darüber hinaus wurde festgehalten, dass Janssen für die Einrichtung der beiden Parteigruppen in Gütergotz und Schlachtensee hauptverantwortlich gewesen sei sowie die Gesamtorganisation derselben in seinen Händen lag. Daneben seien die Handlungen aller jedoch „als im Wesentlichen gleichartig anzusehen, als sie sich sämtlich im Rahmen desjenigen bewegen, was in der organisatorischen Arbeit der betreffenden Parteigruppe möglich ist, nämlich Beitragszahlungen, Schriftenvertrieb, Teilnahme an Zusammenkünften und dergleichen.“ (Urteil Janssen, Bl. 103.)
Vor diesem Hintergrund kam das Gericht zu dem Schluss: „Die schwerste Strafe musste den Angeklagten Janssen treffen, da der Umfang seiner Betätigung größer als bei allen anderen Angeklagten ist. Janssen hat sich mehrere Jahre hindurch mit Geschick, großem Eifer und Erfolg für die kommunistischen Bestrebungen eingesetzt. Er ist bei der Mehrzahl der hier zu behandelnden Angeklagten und darüber hinaus noch einer Anzahl anderer Personen die treibende Kraft für deren staatsfeindliche Tätigkeit gewesen.“ Dabei wurde ihm, neben der großen Anzahl „hochverräterischer Schriften“, welche er in Umlauf gebracht hatte, als besonders erschwerend ausgelegt, dass er „mit den hohen Funktionären Ruthenberg und Schirmeister in laufender Verbindung gestanden hat.“ Alles in Allem verurteilten die Richter sämtliche Angeklagten seines Verfahrens wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“, wobei Janssen mit fünf Jahren Zuchthaus und ebenso langem Ehrverlust die höchste Strafe erhielt.

Otto Janssen wurde nach Verbüßung seiner Haftstrafe gemäß dem erhalten gebliebenen Entlassungsschein am 21. Mai 1942 aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden entlassen und auf Anordnung der Gestapo in ihre Berliner Zentrale am Alexanderplatz überführt. Aus ungeklärten Gründen hielten sie ihn dort noch bis zum 30 Juli in Schutzhaft und verschleppten ihn anschließend ins KZ Buchenwald. Als politischer Häftling wurde Janssen hier unter der Nummer 8132 aufgenommen, zunächst im Block 48, später im Block 12 untergebracht und ab 5. August 1942 dem Baukommando II zugeteilt. Seine Frau gab später an, dass er außerdem zur KZ-Feuerwehr gehörte. Ob er sich am 24. August 1944 in dieser Funktion oder als Zwangsarbeiter im „Gustloff-Werk II“ aufhielt, ist nicht überliefert. Bekannt ist nur, dass Otto Janssen zu den Opfern des an diesem Tag erfolgten Bombenangriffs auf diese Waffenfabrik gehörte.
Seine Frau Gertrud, die ihn stets „geldlich und moralisch“ unterstützte, wurde im Rahmen der Verhaftung ihres Mannes und während den Haussuchungen mehrfach bedroht, dass man auch sie noch holen würde. Ab 1. April 1943 wurde sie zum Kriegseinsatz bei Telefunken beordert. 1944 wurde sie ausgebombt. Sie bekam ab 1. März 1951 eine Hinterbliebenenrente für Schaden an Leben „Rangklasse I“ als Entschädigung zugesprochen. Später kamen weitere Zahlungen hinzu, die sie jedoch mit Ottos Geschwistern teilen musste. Wie sie 1957 an den Berliner Innensenator schrieb, empfand sie diesen Umstand „als große Härte“, da „nicht ein Einziger von den Geschwistern sich um uns gekümmert [hat]. Im Gegenteil, beschimpft und beleidigt bin ich von ihnen worden.“ (LABO, Reg.-Nr. 10.423, Entschädigungsakte Otto Janssen).

Verfolgung:

Otto Janssen wurde am 9. Juli 1933 auf Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ gemaßregelt. Den späteren Angaben seiner Frau und dem entsprechenden Bericht der Gestapo zufolge nahm dieselbe ihn am 21. Mai 1937 gegen 14.45 Uhr auf seiner Arbeitsstelle fest. Ab 12. August 1937 befand er sich im Untersuchungsgefängnis Moabit in U-Haft. Seine Verurteilung erfolgte am 21. September 1938 durch den 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin, nach Sitzung vom 19. bis 21. September 1938. Die Richter verurteilten Janssen wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 5 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust. Ihm wurden 16 Monate U-Haft angerechnet.

Seine Strafe verbüßte er vom 21. September 1938 bis zum 21. Mai 1942 im Zuchthaus Brandenburg-Görden und wurde von dort nach dem Polizeigefängnis Berlin entlassen. Die Gestapo behielt ihn zunächst im Polizeipräsidium am Berliner Alexanderplatz in Schutzhaft und verschleppte ihn am 30. Juli 1942 ins KZ Buchenwald. Hier wurde Otto Janssen als Häftling Nummer 8132 registriert und zunächst im Block 48, später im Block 12 untergebracht. Ab 5. August 1942 war er dem Baukommando II als Arbeiter zugeteilt und gehörte nach Angaben der Ehefrau zur KZ-Feuerwehr.


Quellen:

  • Dissertation Podzuweit (unveröffentlichtes Manuskript)
  • LAB, C Rep. 118-01, Nr. 2782, VdN-Akte Gertrud Janssen;
  • Auskunft Archiv Buchenwald;
  • BArch, R 3017/FBS 110/2355, NJ 5872, Handakten des Reichsanwalts in der Strafsache gegen Ruthenberg, Fritz u. a., darin Bl. 94-104, Urteil Janssen
  • LABO, Reg.-Nr. 10.423, Entschädigungsakte Otto Janssen