Scharfschwerdt, Otto (Senior)


Biografische Daten:

Name:Scharfschwerdt, Otto (Senior)
Geboren:20. Januar 1887 in Belgard (Pommern)
Beruf:Kesselschmied, Lokführer, nach 1933 Handelsvertreter
Wohnort:zuletzt Hohen Neuendorf, Horst-Wesselstr. 8 (1935) – heute Scharfschwerdt-Straße 8
Bahnbeginn:1908
Gewerkschaft:Verein dt. Lokomotivführer, Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamter und Anwärter, GDL
Funktionen:1918 Arbeiter- und Soldatenrat; TN der Reichskonferenz der Räte Dezember 1918 in Berlin; äußerst aktive Teilnahme am Kapp-Putsch, u. a. Mitglied der Streikleitung; angeblich 1922 Vorsitzender des Hauptbeamtenrats der Deutschen Reichsbahn; führende Rolle beim 1922er Eisenbahnerstreik; Mitglied Vorstand der GDL (ab 1920), 2. Vors. Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamter und -Anwärter (GDL war Mitglied in diesem Dachverband, aus dem sie 1924 austrat); später (in Eigenständigkeit) 1. Schriftführer der GDL; nahm Januar 1929 an einer Besprechung zwischen ITF (Fimmen und Nathans), EdED (Jochade und Scheffel) und GDL (Warstein und Neumann) in den Räumen der ITF in Amsterdam teil; soll auch an mehreren ITF-Konferenzen teilgenommen haben; nahm an Verbandstag des DEV 1922 in München als Vertreter der Reichsgewerkschaft teil; 1923 Vorsitzender des Eisenbahner-Ruhrkampfausschusses
Partei:SPD (seit 1909)
Funktionen:seit 1923 Vorsitzender des Ortsvorstandes der SPD Hohen Neuendorf, seit 1923 Mitglied des Kreistages Niederbarnim; seit 1929 Mitglied der Gemeinde-Vertretung Hohen Neuendorf; Kassierer einer SPD-Struktur; Mitglied im Arbeitersportverein und im Vorstand des Reichbanners Schwarz-Rot-Gold vertreten; 1926 bereits an einem Reichsbanneraufmarsch anlässlich eines Arbeitersportfestes in Wien beteiligt; Mitglied der Büchergilde Gutenberg
Widerstand:Aufbau und Anleitung einer eigenen Widerstandsgruppe, die als Gruppe „Nordbahn“ firmierte, deren Mitglieder an der gleichnamigen Bahnstrecke im Norden Berlins beheimatet waren und deren Aktionen sich auf eben jenes Gebiet konzentrierten; darüber hinaus angeblich auch Treffen mit Lokführern und Organisation der Herstellung und des Vertriebs von Druckschriften; Verbreitung der Sozialistischen Aktion und anderer Untergrundschriften, verfasste mehrere eigene Flugschriften als „Front der anständigen Deutschen“; verfügte auch über Kontakte in das tschechische Ausland sowie zu anderen gewerkschaftlichen Widerstandskreisen; auch Kontakt zu illegalen Reichsbannergruppen und nationalsozialistischen Institutionen; über einen Kurier den die Gestapo an der Grenze zur CSR festnahm, rückte auch Scharfschwerdt in deren Visier und wurde im Rahmen einer großen Aktion, der mehr als 50 Personen zum Opfer fielen festgenommen
Verfolgung:Verhaftung im März 1933, anlässlich einer Rede seines Sohnes auf einer Jugendweihefeier; 2malig 4 Tage (!) Haft im KZ Oranienburg 23. bis 26. März 1933 und 29. April bis 2. Mai 1933; 2. Festnahme: am 22. Januar 1937 um 21:35 Uhr mit seiner Frau Henriette in Belgard bei einem Besuch seiner Mutter und nachdem die Gestapo ihn bereits in Berlin versucht hatte festzunehmen. Da sie ihn dort nicht zu Hause vorfand, nahm sie zunächst seinen Sohn und dessen Frau fest; Untersuchungshaft in Berlin-Moabit; im Dezember 1937 gemeinsam mit Hermann Schlimme, Erich Hahn, Erich Wienig, Fritz Ammon, Reinhold Weise, Rudolf Castan und Wilhelm Masuch vor dem 5 Strafsenat des Kammergerichts Berlin wegen „illegalen Bestrebungen für die SPD“ und „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu sechs Jahre Zuchthaus verurteilt; Verbüßung in Brandenburg-Görden; Vergeblich wartete sein Sohn nach Ablauf der sechs Jahre Haft am Tor des Zuchthauses Brandenburg-Görden. Sein Vater war bereits am 20. Januar 1943 von der Gestapo ins KZ Sachsenhausen verschleppt worden; dort als Schutzhäftling Nr. 61363 im Block 5 inhaftiert und im berüchtigten Außenlager „Klinkerwerk“ eingesetzt; als Scharfschwerdts Haus von einer Fliegerbombe getroffen wurde, erhielt er Hafturlaub und traf auf Schwiegertochter und Enkelkind; am 23. April 1943 Aufenthalt im Krankenrevier, am 29. April 1943 von dort eine Laborprobe (Blut-, Stuhl- oder Liquoruntersuchungen) ins Hygiene-Institut der Waffen-SS in Berlin versandt
Gestorben:Otto Scharfschwerdt (Senior) starb am 4. oder 5. Mai 1943 im KZ Sachsenhausen. Die Todesursache und die Umstände sind bis heute ungeklärt. Er soll zu den Opfern der Menschenversuche faschistischer Ärzte gehört haben, die an KZ-Häftlingen Flecktyphusimpfungen vornahmen, um zu beobachten, wie diese dann an einer „allgemeinen Typhusepidemie“ zugrunde gingen.
Weitere Infos:ab 1922 mit dem Übertritt in die Hauptamtlichkeit Verrentung bei Reichsbahn; die ganze Familie wurde durch Nazis tyrannisiert; Noch während der Zeit der Untersuchungshaft verstarb Scharfschwerdts Frau und wurde, ohne dass ihm Hafturlaub gewährt wurde, in Birkenwerder beigesetzt.
Gedenken:Otto Scharfschwerdts Name steht auf der Gedenktafel, die die GdED am 9. Mai 1983 in ihrer damaligen Frankfurter Zentrale einweihte.
Im Brandenburgischen Hohen Neuendorf wurde außerdem eine Straße nach ihm benannt.
An seinem Wohnhaus erinnert eine Gedenktafel an das Wirken des Gewerkschaftsfunktionärs und Widerstandkämpfers.
Der Berliner Ortsverband der EVG ehrte das Wirken von Otto Scharfschwerdt (Senior) im Rahmen einer Gedenkveranstaltung anlässlich seines 70. Todes- und des 80. Jahrestags der Stürmung der Gewerkschaften.

Biografie:

Otto Scharfschwerdt wurde am 20. Januar 1887 in Belgard/Pommern als Sohn eines Dachdeckermeisters geboren. Er besuchte die Bürgerschule und verließ diese mit Auszeichnung. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Kesselschmied, arbeitete zunächst auf verschiedenen Werften und trat dem DMV bei. Wann genau er zum Verein Deutscher Lokomotivführer, dem Vorgänger der GDL, übertrat, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Scharfschwerdt hier ab 1920 zum Vorstand, fungierte zuletzt jedoch nur noch als 1. Schriftführer. Zur Eisenbahn kam er bereits nach Ableistung seines Kriegsdienstes: 1908 fand er eine Anstellung im Betriebswerk Pankow und qualifizierte sich in der Folgezeit bis zum Lokführer. 1909 trat er der SPD bei, wo er in der Folge zahlreiche Ämter, u. a. als Ortsgruppenleiter Hohen Neuendorf und Mitglied in der Gemeindevertretung, übernahm. Darüber hinaus engagierte er sich im Arbeitersportverein sowie seit dessen Gründung im Reichsbanner.

Otto Scharfschwerdt zählte zweifelsohne zu den Gewerkschaftsfunktionären, die über umfangreiche Erfahrungen im Kampf für die Arbeiterklasse verfügten. So gehörte er bereits als Vertreter seiner Berliner Kollegen bei der Preußischen Staatseisenbahn, zu den Teilnehmern der Reichsrätekonferenz im Dezember 1918, koordinierte 1920, als Mitglied der Streikleitung der Eisenbahner, deren Aktivitäten zur Abwehr des Kapp-Putsches und nahm eine führende Rolle bei den, von der „Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamten- und -anwärter“ (RG) durchgeführten, Februarstreiks der Eisenbahner im Jahre 1922 ein. Als Mitglied im Hauptvorstand der GDL übernahm er im selben Jahr das Amt des zweiten Vorsitzenden eben jener Gewerkschaft und gehörte hier zu den Vertretern, die für einen Übertritt vom Deutschen Beamtenbund zu dessen freigewerkschaftlichem Pendant, dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund, warben. Auch später gehörte er offensichtlich zum unterlegenen Teil der GDL, der einerseits für einen Verbleib in der RG und andererseits für eine fortwährende Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, auch auf internationaler Ebene, plädierte. Daneben setzte sich Scharfschwerdt auch in der Kommunalpolitik für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen seiner Kolleginnen und Kollegen ein. So gehörte er unter anderem ab 1923 dem Niederbarnimer Kreistag und später auch als Mitglied zum örtlichen Vorstand des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“.

Der Machtwechsel durch die Nazis 1933 in Deutschland brachte einschneidende Veränderungen für Scharfschwerdt und dessen Familie. Gemeinsam mit seinem Sohn Otto Scharfschwerdt Junior, der bereits in seiner Jugend Funktionen in der SAJ übernommen hatte und Mitglied und Jugendleiter im Zentralverband der Angestellten war, nahm ihn die Gestapo bereits im März 1933 erstmals fest und inhaftierte alle beide vom 23. bis 26. des Monats im frühen Konzentrationslager im Norden Berlins. Der Auslöser für diese Aktion war eine Rede, die sein Sohn auf einer illegalen, von beiden Scharfschwerdts organisierten Jugendweihefeier im Jugendheim der SAJ hielt. Dieses war in einem nicht mehr genutztem Wirtschaftsgebäude eingerichtet, das sich auf dem elterlichen Grundstück in Hohen Neuendorf befand.

Kurz vor der Zerschlagung der freien Gewerkschaften spielten sich bei der GDL ähnliche Szenen, wie sie es beim EdED zum selben Zeitpunkt gegeben hatte. Um die nationalsozialistische Neuausrichtung „seiner“ Gewerkschaft nicht mehr mitmachen zu müssen, legte Otto Scharfschwerdt Senior – zusammen mit den beiden weiteren „politisch belasteten“ Vorstandsmitgliedern Reichert und Schneider – bereits am 27. April 1933 sein Vorstandsmandat nieder, so dass sie durch die drei NSDAP-Mitglieder Kaphengst (aus München), Veenhius (aus Oldenburg) und Barrenstein (aus Aachen) ersetzt werden konnten. Im Gegensatz zu der Bemerkung von Arndt Groß, war Scharfschwerdt demzufolge nicht mehr aktiv an der Umgestaltung der GDL beteiligt. Vielmehr begann er sich bald nach der Zerschlagung der Gewerkschaften zunehmend seinen eigenen, sehr umfangreichen Widerstandsaktivitäten zu widmen.

Diese gingen recht schnell, über die üblichen, unter Verfolgungsaspekten weniger gefährlichen Aktivitäten – Treffs und Diskussionen unter alten Kollegen und Gesinnungsgenossen sowie Unterstützungssammlungen für Inhaftierte – hinaus. So begann er spätestens im Herbst 1933 eine eigene Widerstandsgruppe in der Umgebung seines Wohn- und einstigen politischen Betätigungsortes aufzubauen, die mehr als 60 Personen umfasste. Diese wurden durch ihn persönlich oder über seine dortigen, von den Nazis als „Untergruppenführer“ deklarierten, Vertrauensleute – Fritz Ammon, Rudolf Castan, Arthur und Richard Kolwitz, Karl und Auguste Liebelt sowie Willy Vollnberg – mit illegalen Zeitschriften und Flugblättern versorgt. Außerdem trafen sie sich in regelmäßigen Abständen, um über den weiteren Ausbau des Netzwerkes zu beratschlagen, sammelten Geldbeträge zur Refinanzierung der Druckkosten und Informationen aus den Betrieben. Bei den Mitgliedern handelte es sich – soweit bekannt – ausschließlich um ehemalige SPD-Angehörige, von denen knapp die Hälfte gleichzeitig Mitglied im Reichsbanner waren. Bei der unter ihnen verteilten Literatur handelte es sich dann auch um Veröffentlichungen der illegalen SPD sowie um solche Druckschriften, die von ihm selbst entworfen und unter Mithilfe von Erich Hahn unter dem Titel „Zeitberichte“ hergestellt worden waren.

Die Exilliteratur der Sopade bekam Scharfschwerdt über seine Kontaktmänner und Bindeglieder zu den illegalen Berliner SPD- und Reichsbannerstrukturen, Alfred Markwitz und später Erich Wienig, geliefert. Zu den wichtigen Kontaktleuten aus diesem Bereich ist auf jeden Fall auch noch Karl Heinrich zu zählen. Selbst wenn dessen Zusammenarbeit mit Scharfschwerdt nicht über persönliche Treffen und den Austausch von Informationen hinausgegangen sein mag, dürfte er die Schnittstelle zu Dr. Theodor Haubach und dessen einflussreichen Reichsbannergruppen gewesen sein.

Außerdem verfügte Scharfschwerdt über persönliche Verbindungen zu emigrierten Funktionären in der CSR. Dabei dürften diese – wie im Übrigen auch seine etwaigen Besuche dort – eher der Auslandszentrale der Gewerkschaften, als der Sopade gegolten haben bzw. über die erstgenannte Organisation realisiert worden sein. Schließlich verfügte er auch über umfangreiche Verbindungen zu ehemals führenden Gewerkschaftsfunktionären, arbeitete zum Teil recht eng mit ihnen zusammen. Darunter befand sich auch Hermann Schlimme, der als einer der wichtigsten Verbindungsleute zur ADG und damit zu Heinrich Schliestedt fungierte sowie überdies im ständigen Austausch mit Wilhelm Leuschner stand.

Darüber hinaus hielt Scharfschwerdt Verbindungen zur Gruppe um Apitzsch/Breunig sowie zu Hans Jahn aufrecht. Beide Kontakte dürften auf gemeinsame Aktivitäten vor der Gleichschaltung sowie innerhalb der Illegalen Reichsleitung der Gewerkschaften zurückzuführen, jedoch von unterschiedlicher Intensität und Dauer gewesen sein. So bestand mit der Gruppe um Apitzsch und Breunig eine enge und bis zur Verhaftung Scharfschwerdts andauernde Zusammenarbeit, während die Beziehung zu Jahn von einer gewissen Distanz geprägt gewesen zu sein schien. Daneben ist auch Scharfschwerdt zu den Mitgliedern bzw. zu den Angehörigen des erweiterten Kreises der Illegalen Reichsleitung der Gewerkschaften, gegebenenfalls einer Untergruppe, zu zählen. Vermutlich hätte ihn Leuschner auch in seinen Wiederaufbauplänen berücksichtigt, wenn er nicht bereits am 4. Mai 1943 im KZ Sachsenhausen umgekommen wäre.
Bis zu seiner Verhaftung war er als Vertreter der Gewerkschaften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und wohl aufgrund seines politischen Standings für die Knüpfung und den Erhalt von Kontakten zu Oppositionskreisen zuständig, die eher zum konservativen, teils sogar zum regimenahen Umfeld gehörten. Diese schlossen sich offensichtlich später, vermutlich ab Ende 1934, in der bisher kaum bekannten und wissenschaftlich noch aufzuarbeitenden „Front der anständigen Deutschen“ zusammen bzw. agierten zumindest unter diesem Namen. Dort war Scharfschwerdt an der Erstellung zweier, entsprechend unterzeichneter, Flugblätter beteiligt und dürfte darüber hinaus, anders als von den Nazis im Urteil gegen ihn festgehalten, auch derjenige gewesen sein, der im Auftrag der Gewerkschaften versuchte, den Kontakt zu diesen Kreisen aufzubauen und zu verstetigen. Zu guter Letzt existieren Hinweise, dass aus Scharfschwerdts Umfeld auch konkrete Verbindungen in nationalsozialistische Kreise unterhalten wurden. So kann einem nach 1945 verfasstem Erlebnisbericht des ehemaligen Unterbezirkssekretärs der SPD Teltow, Beeskow, Niederbarnim, Oberbarnim und Angermünde entnommen werden, dass die Gruppe Nordbahn über Verbindungen zu aktiven Polizisten „sehr schnell die Adressen der verhafteten Genossen von uns herausbekommen […] und Verbindung mit den Verhafteten aufrecht erhalten“ konnte. Außerdem bekamen sie über denselben Kontaktmann, der auch zum Angermünder Reitersturm gehörte, Informationen zu Waffenlagern und „ihren ganzen Bewegungen.“ (SAPMO-BArch, RY 1/I 2/3/149, KPD-Politbüro, Berichte von VVN zur Widerstandsbewegung, Bl. 31, Charakteristik über den Genossen Emil Dams, verfasst von Paul Judrian.)

Zu Beginn des Jahres 1936 kam Scharfschwerdt in Kontakt mit dem ehemaligen Funktionär des Gesamtverbandes der Arbeitnehmer des Personen- und Warenverkehrs Willy Vollnberg, der wiederum ein Kontaktmann zu Paul Levy in der CSR war. Vollnberg wurde nach einer seiner Reisen in die CSR von der Gestapo verhaftet. Bei seiner Durchsuchung fanden die NS-Ermittler eine Wanderkarte mit dem Aufdruck „Otto Scharfschwerdt“. Angeblich hatte er sich diese anlässlich eines zufälligen Treffens am Gartenzaun von seinem ehemaligen Nachbarn geliehen, nachdem es ihm nicht gelungen war, einen Auslandspass zu erlangen. Seinen späteren Aussagen zufolge ließ er sich dabei außerdem von Schwarfschwerdt erklären, wo man die „grüne Grenze“ am besten überqueren könne. So rückte Scharfschwerdt und sein Sohn in endgültig in das Visier der Nazi-Spitzel, welche ihn und seinen Sohn in der Folge spätestens ab Oktober 1936 überwachten.

Im Januar 1937 hatten sie letztendlich genügend Informationen gesammelt und holten zum großen Schlag aus: Otto Scharfschwerdt Junior wurde am 20. Januar 1937 gemeinsam mit seiner Frau auf dem Hohen Neuendorfer Familiengrundstück verhaftet. Sein Vater befand sich zu diesem Zeitpunkt im heimatlichen Belgard, um dort zusammen mit seiner Mutter ihre Geburtstage zu feiern. Auch er wurde noch am selben Tag dort, gemeinsam mit seiner Ehefrau Henriette, von den Nazis festgenommen. Bis zum 22. Januar 1937 gelang es der Gestapo, durch die Verhaftung zahlreicher Führungsfunktionäre, die „Gruppe Nordbahn“ zu zerschlagen. Wie Otto Scharfschwerdt jun. später berichtete, trafen sich Vater und Sohn zufällig während den ersten Hafttagen im SS-Hauptquartier, so dass sie ihre Aussagen absprechen konnten. Er bekam dabei von seinem Vater die Anweisung, alles abzustreiten, damit dieser sämtliche Anschuldigungen auf sich nehmen könne. Wenige Tage später wurde Scharfschwerdts Familie aufgrund fehlender Beweise aus der Haft entlassen.

Insgesamt strengten die NS-Ermittler fünf Verfahren an, die sich mit Funktionären aus dem Umfeld der Widerstandsgruppe „Nordbahn“ befassten und in deren Folge mindestens 45 Personen angeklagt wurden. Im Dezember 1937 wurde Scharfschwerdt Senior vor dem fünften Strafsenat des Kammergerichts Berlin wegen „illegalen Bestrebungen für die SPD“ zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Das war eine außerordentlich hohe Strafe – die Mitverurteilten erhielten Strafen zwischen zwei und vier Jahren. Bis Februar 1943 wurde er ins Zuchthaus Brandenburg-Görden gesperrt. Bereits während seiner Untersuchungshaft wurde er schwer vom Schicksal getroffen. Seine Frau verstarb und ihm wurde noch nicht einmal gestattet, an ihrer Beerdigung teilzunehmen. Auch seinen Sohn sollte er nicht mehr zu Gesicht bekommen. Dieser wartete am Tage der eigentlichen Entlassung vergeblich vor den Toren des Zuchthauses auf seinen Vater. Denn dieser war gleich im Anschluss ins KZ Sachsenhausen verschleppt worden. Ein einziges Mal nur war es ihm vergönnt, nochmals in die Freiheit zu treten. Nach der Zerstörung seines Hauses durch eine Fliegerbombe, war es Otto Scharfschwerdt gestattet, diesen Ort zu besuchen. Dort sah er wenigstens noch seine Schwiegertochter und seinen Enkel.

Während seiner Haftzeit musste er Zwangsarbeit im berüchtigten Klinkerwerk leisten. Außerdem war er wohl eines der Opfer der Menschenversuche faschistischer Ärzte. Es wird vermutet, dass er ihren Experimenten mit Typhus-Viren zum Opfer fiel. Das genaue Todesdatum sowie –Ursache und –Umstände sind bis heute ungeklärt. Dass er nicht einmal drei Monate im KZ überlebte, dürfte indes ein gutes Indiz dafür sein, welchen Grausamkeiten er dort ausgesetzt war.

Quellen:

  • Dissertation Podzuweit (unveröffentlichtes Manuskript)